Unterkiefer-Protrusionsschiene gegen Atemaussetzer beim Schlafen wird Kassenleistung

Gemeinsamer Bundesausschuss – Pressemitteilung Nr. 61 / 2020 vom 20. November 2020

Berlin, 20. November 2020 – Erwachsene, die beim Schlafen unter behandlungsbedürftigen wiederholten Atemaussetzern (obstruktive Schlafapnoe) und als Folge davon z. B. unter Tagesschläfrigkeit und Konzentrationsschwächen leiden, können künftig eine sogenannte Unterkiefer-Protrusionsschiene bekommen. Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte dürfen diese Schiene entsprechend dem heute durch den Gemein-samen Bundesausschuss (G-BA) getroffenen Beschluss verordnen, wenn die Überdrucktherapie mit einer Atemmaske nicht erfolgreich ein-gesetzt werden kann. Den Antrag, den medizinischen Nutzen der Protrusionsschiene bei Schlafapnoe zu bewerten, hatte die Patientenvertretung im G-BA gestellt.

Medizinischer Hintergrund der obstruktiven Schlafapnoe

Die obstruktive Schlafapnoe ist die häufigste Form von Atmungsstörungen beim Schlafen. Es gibt viele verschiedene Ursachen und Risikofaktoren für sie. Neben starkem Übergewicht spielen auch anatomische Besonderheiten im Mund- und Rachenraum häufig eine Rolle. Die Wahrscheinlichkeit, an einer obstruktiven Schlafapnoe zu erkranken, nimmt ab dem 45. Lebensjahr stetig zu.

Auslöser der Atemaussetzer ist, dass sich bei den Betroffenen der Rachenbereich während des Schlafens verengt, was bei ca. 95 Prozent der Betroffenen auch mit einem lauten Schnarchen verbunden ist. Der Atem verflacht. Kommt es sogar zu einem kurzzeitigen kompletten Verschluss, setzt der Atem vollständig aus. Dauert dieser Vorgang länger als zehn Sekunden, spricht man von einer Apnoe. Mit dem flachen Atem oder dem Atemaussetzen geht eine geringere Sauerstoffversorgung einher. Puls und Blutdruck sinken. Erst wenn das Atemzentrum im Gehirn einen Reiz auslöst, wachen die Betroffenen kurz auf, teilweise ohne es bewusst zu merken, das Herz schlägt wieder schneller und der Blutdruck steigt. Treten solche Aufweckepisoden häufig auf, kommen Betroffene nicht mehr in die erholsame Tiefschlafphase.

Als Folge sind viele Menschen mit einer Schlafapnoe tagsüber schläfrig und weniger leistungsfähig, wodurch beispielsweise auch die Unfallgefahr im Straßenverkehr steigt. Eine unbehandelte Schlafapnoe wird zu-dem mit Bluthochdruck, Herzinfarkt und Schlaganfall in Verbindung gebracht.

Therapie hängt vom Schweregrad ab

Die Therapie der obstruktiven Schlafapnoe hängt u. a. vom jeweiligen Schweregrad ab. Können bei leichten Erkrankungen Gewichtsreduktion und eine andere Schlafposition helfen, greift man bei zunehmendem Schweregrad auf eine Überdrucktherapie als Standard zurück. Dabei wird über eine Atemmaske beim Schlafen ein Überdruck erzeugt, der die Atemwege offenhält. Führt die Überdrucktherapie nicht zum Behand-lungserfolg, ist zukünftig auch die Unterkiefer-Protrusionsschiene zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung einsetzbar.

So wirkt die Unterkiefer-Protrusionsschiene

Die Unterkiefer-Protrusionsschiene wird für die Betroffenen zahntechnisch individuell angefertigt. Die zweiteilige verstellbare Schiene wird während des Schlafens auf den Zähnen getragen. Das Gerät drückt den Unterkiefer sanft nach vorne. Dadurch wird das Gewebe, an dem die Zunge im Mundraum angewachsen ist, gespannt und die Zunge nach vorne gezogen. Die Muskeln bleiben stabil und die Atemwege offen.

Weitere Schritte bis zur Verordnungsfähigkeit

Der G-BA-Beschluss fußt auf einem Bericht des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) und Stellungnahmen von wissenschaftlichen Fachgesellschaften. Er wird dem Bundesministerium für Gesundheit zur Prüfung vorgelegt und tritt nach Nichtbeanstandung und Bekanntmachung im Bundesanzeiger in Kraft. Danach verhandeln (Zahn)Ärzte und Krankenkassen die Höhe der (zahn)ärztlichen Vergütung, auch auf Grundlage einer noch zu entwickelnden Regelung in einer Richtlinie im vertragszahnärztlichen Bereich. Die Unterkiefer-Protrusionsschiene kann als vertragsärztliche Leistung verordnet wer-den, wenn die Abrechnungsziffern vorliegen.

Hintergrund

Entsprechend seinem gesetzlichen Auftrag überprüft der G-BA, ob neue Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der gesetzlich Versicherten zu empfehlen sind. Er berücksichtigt dabei den allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse. Zum Abschluss eines Bewertungsverfahrens entscheidet der G-BA darüber, für welche genaue Indikation und unter welchen qualitätssichernden Anforderungen eine Behandlungsmethode ambulant und/oder stationär zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung angewendet werden kann.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) ist das oberste Beschlussgremium der gemein-samen Selbstverwaltung der Ärztinnen und Ärzte, Zahnärztinnen und Zahnärzte, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen in Deutschland. Er bestimmt in Form von Richtlinien den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für etwa 73 Millionen Versicherte. Der G-BA legt fest, welche Leistungen der medizinischen Versorgung von der GKV übernommen werden. Rechtsgrundlage für die Arbeit des G-BA ist das Fünfte Buch des Sozialgesetzbuches (SGB V). Entsprechend der Patientenbeteiligungsverordnung nehmen Patientenvertreterinnen und Patientenvertreter an den Beratungen des G-BA mitberatend teil und haben ein Antragsrecht.

Den gesundheitspolitischen Rahmen der medizinischen Versorgung in Deutschland gibt das Parlament durch Gesetze vor. Aufgabe des G-BA ist es, innerhalb dieses Rahmens einheitliche Vorgaben für die konkrete Umsetzung in der Praxis zu beschließen. Die von ihm beschlossenen Richtlinien haben den Charakter untergesetzlicher Normen und sind für alle Akteure der GKV bindend.

Bei seinen Entscheidungen berücksichtigt der G-BA den allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse und untersucht den diagnostischen oder therapeutischen Nutzen, die medizinische Notwendigkeit und die Wirtschaftlichkeit einer Leistung aus dem Pflichtkatalog der Krankenkassen. Zudem hat der G-BA weitere wichtige Aufgaben im Bereich des Qualitätsmanagements und der Qualitätssicherung in der ambulanten und stationären Versorgung.

Weitere Informationen finden Sie unter www.g-ba.de.